Musik Kultur St. Johann

40:32 – free music st johann

musik kultur st. johann – alte gerberei
© Bernhard Kogler

Nun hat free music st johann seinen ersten Tonträger veröffentlicht: 40:32 heißt er, wie es sich für Afficionados dieser und ähnlicher guter Musik, gehört, auf Vinyl.

40:32

ELISABETH AUFSCHNAITER – PIANO // ANITA BIEBL – VOICE // WOLFGANG BRUNNER – DOUBLE BASS // CÄSAR CECHMANN – REEDS // BERNARD EMBACHER – REEDS // WALTER GRAF – PERCUSSION // TAISIR TAJ HUSEIN – SAZ // LUKAS MASSINGER – E-GUITAR // MARKUS MASSINGER – E-BASS // BERIT NEUMAYR – ACCORDION // HANS OBERLECHNER – CELLO // BARBARA ROMEN – PREPARED DULCIMER // GUNTER
SCHNEIDER – CONTRA GUITAR // INGRID WEGMAYR – E-GUITAR

Idyllic Noise  IDNO 0011
Veröffentlicht:  November 2020
Format: LP Vinyl
Vertrieb: Idyllic Noise
Preis: € 25 + Versandkosten (Ö € 6,-/ EU € 10) 
Order: per Mail an info@muku.at; Tel. 43 5352 61284.

Recorded by Markus Massinger, Karl Arthur Wienand / Mixed by Markus Massinger, Barbara Romen, Gunter Schneider / Mastered by Markus Massinger / 
Cover: Bernard Embacher / Design: DER ROTE FADEN grafikdesign / Translation: Hilary Jeffery / Photos: KCetriolo, Werner Krepper, Mara Leitinger

Kollektiv ohne Hierarchie,
Musik der Befreiung

Eines Tages begibt sich die Musik Kultur St. Johann in Tirol, selber ein Garant für hochkarätige Improvisierte Musik aus dem Geist des fortschrittlichen Jazz, auf die Suche nach einem eigenen Ensemble, einer „Hausband“, die sich rund um die hauseigenen Workshops formieren sollte. Jemand kommt auf die Idee, Gunter Schneider mit der Leitung zu betrauen. Schneider, ein klingender Name in experimentierlustigen Gruppierungen und an der Freischärlerabteilung der Wiener Musikuniversität, stimmt zu, interpretiert aber die Ensemble-Leitung allerdings als Anleitung zum Auffinden des jeweils eigenen Potentials. So entsteht ein Kollektiv ohne Dirigat, ohne Diktat, ohne branchenübliche Hierarchie. Was gibt es stattdessen? Chaos?  Basisdemokratie? Improvisation ohne doppelten Boden? Geht das gut? Kann das gutgehen? Hatten die Mitwirkenden von Anfang an, um mit good old Karl Marx zu sprechen, nichts zu verlieren als ihre Ketten, sprich ihre Partituren, ihre eintrainierten Rituale, ihre Gewohnheiten? Fragen über Fragen häufen sich angesichts des Charakters und der Produktionsverhältnisse der so getauften Free Music St. Johann.  

Feststeht, dass das mehr oder weniger zehnköpfige Ensemble einer Mischkulanz aus Profis, Halbprofis und Amateuren=Liebhabern entspricht, die noch dazu auf hübsch unterschiedliche musikalische Herkünfte zurückblicken. Jazz, Neue Musik, Metal, Impro, sogar Blasmusik haben sie auf dem Kerbholz.

Aus dem kompositorischen Nichts zu operieren, macht das Erzielen von Resultaten freilich unsicherer, aber auch lustvoller als mit strikten Vorgaben, erfordert regelmäßiges Ausprobieren, viele Übungseinheiten und noch viel mehr Gespräche. Unerlässlich ist es, aufeinander zu hören,  aufeinander zu achten. Es geht in der Free Music St. Johann, die sich einmal im Monat in der Alten Gerberei zum Arbeiten trifft, um Rücksichtnahme und Eigeninitiative, um die gegenseitige Wertschätzung, das Übernehmen von Verantwortung, das Treffen von Entscheidungen und um die Balance dazwischen. Es geht um das Bilden kleiner Zellen und ihre Auflösung, ihre Transformation im Kollektiv. Und es geht darum, dass der Ensembleklang ebenso die Musik macht wie der Prozess seiner Entstehung.  

Eine schrittweise Weiterentwicklung ist spürbar, sagen Mitwirkende, der Fortschritt klinge von Monat zu Monat selbstverständlicher. An dieser Stelle sei es an der Zeit, den Ist-Zustand zu dokumentieren – wie es sich für richtige Afficionados gehört, auf Vinyl. Nächste Frage: Lässt sich die Gegenwart, soweit sich die Improvisierte Musik, die nie auf gleiche Weise  gespielt oder gar wiederholt wird und die das Moment des Flüchtigen in sich trägt, auch als Charakteristikum, überhaupt seriös dokumentieren? Nein? Ja? Weiß nicht? Hören Sie selbst!

Andreas Fellinger (freiStil, Magazin für Musik und Umgebung)